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Johann Ludwig Wilhelm Müller

Der Dichter, als Prolog

Ich lad’ euch, schöne Damen, kluge Herrn,
Und die ihr hört und schaut was Gutes gern,
Zu einem funkelnagelneuen Spiel
Im allerfunkelnagelneusten Styl;
Schlicht ausgedrechselt, kunstlos zugestutzt,
Mit edler deutscher Rohheit aufgeputzt,
Keck wie ein Bursch im Stadtsoldatenstrauß,
Dazu wohl auch ein wenig fromm für’s Haus:
Das mag genug mir zur Empfehlung sein,
Wem die behagt, der trete nur herein.
Erhoffe, weil es grad’ ist Winterzeit,
Thut euch ein Stündlein hier im Grün nicht Leid;
Denn wißt es nur, daß heut’ in meinem Lied
Der Lenz mit allen seinen Blumen blüht.
Im Freien geht die freie Handlung vor,
In reiner Luft, weit von der Städte Thor,
Durch Wald und Feld, in Gründen, auf den Höhn;
Und was nur in vier Wänden darf geschehn,
Das schaut ihr halb durch’s offne Fenster an,
So ist der Kunst und euch genug gethan.

Doch wenn ihr nach des Spiels Personen fragt,
So kann ich euch, den Musen sei’s geklagt,
Nur eine präsentiren recht und ächt,
Das ist ein junger blonder Müllersknecht.
Denn, ob der Bach zuletzt ein Wort auch spricht,
So wird ein Bach deshalb Person noch nicht.
Drum nehmt nur heut’ das Monodram vorlieb:
Wer mehr giebt, als er hat, der heißt ein Dieb.

Auch ist dafür die Szene reich geziert,
Mit grünem Sammet unten tapeziert,
Der ist mit tausend Blumen bunt gestickt,
Und Weg und Steg darüber ausgedrückt.
Die Sonne strahlt von oben hell herein
Und bricht in Thau und Thränen ihren Schein,
Und auch der Mond blickt aus der Wolken Flor
Schwermüthig, wie’s die Mode will, hervor.
Den Hintergrund umkränzt ein hoher Wald,
Der Hund schlägt an, das muntre Jagdhorn schallt;
Hier stürzt vom schroffen Fels der junge Quell
Und fließt im Thal als Bächlein silberhell;
Das Mühlrad braust, die Werke klappern drein,
Man hört die Vöglein kaum im nahen Hain.
Drum denkt, wenn euch zu rauh manch Liedchen klingt,
Daß das Lokal es also mit sich bringt.
Doch, was das Schönste bei den Rädern ist,
Das wird euch sagen mein Monodramist;
Verrieth’ ich’s euch, verdürb’ ich ihm das Spiel:
Gehabt euch wohl und amüsirt euch viel!

1: Wanderschaft

Das Wandern ist des Müllers Lust,
Das Wandern!
Das muß ein schlechter Müller sein,
Dem niemals fiel das Wandern ein,
Das Wandern.

Vom Wasser haben wir’s gelernt,
Vom Wasser!
Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht,
Ist stets auf Wanderschaft bedacht,
Das Wasser.

Das sehn wir auch den Rädern ab,
Den Rädern!
Die gar nicht gerne stille stehn,
Die sich mein Tag nicht müde drehn,
Die Räder.

Die Steine selbst, so schwer sie sind,
Die Steine!
Sie tanzen mit den muntern Reihn
Und wollen gar noch schneller sein,
Die Steine.

O Wandern, Wandern, meine Lust,
O Wandern!
Herr Meister und Frau Meisterin,
Laßt mich in Frieden weiter ziehn
Und wandern.

2: Wohin?

Ich hört’ ein Bächlein rauschen
Wohl aus dem Felsenquell,
Hinab zum Thale rauschen
So frisch und wunderhell.

Ich weiß nicht, wie mir wurde,
Nicht, wer den Rath mir gab,
Ich mußte gleich hinunter
Mit meinem Wanderstab.

Hinunter und immer weiter,
Und immer dem Bache nach,
Und immer frischer rauschte,
Und immer heller der Bach.

Ist das denn meine Straße?
O Bächlein, sprich, wohin?
Du hast mit deinem Rauschen
Mir ganz berauscht den Sinn.

Was sag’ ich denn von Rauschen?
Das kann kein Rauschen sein:
Es singen wohl die Nixen
Dort unten ihren Reihn.

Laß singen, Gesell, laß rauschen,
Und wandre fröhlich nach!
Es gehn ja Mühlenräder
In jedem klaren Bach.

3: Halt!

Eine Mühle seh’ ich blicken
Aus den Erlen heraus,
Durch Rauschen und Singen
Bricht Rädergebraus.

Ei willkommen, ei willkommen,
Süßer Mühlengesang!
Und das Haus, wie so traulich!
Und die Fenster, wie blank!

Und die Sonne, wie helle
Vom Himmel sie scheint!
Ei, Bächlein, liebes Bächlein,
War es also gemeint?

4: Danksagung an den Bach

War es also gemeint,
Mein rauschender Freund,
Dein Singen, dein Klingen,
War es also gemeint?

Zur Müllerin hin!
So lautet der Sinn.
Gelt, hab’ ich’s verstanden?
Zur Müllerin hin!

Hat sie dich geschickt?
Oder hast mich berückt?
Das möcht’ ich noch wissen,
Ob sie dich geschickt.

Nun wie’s auch mag sein,
Ich gebe mich drein:
Was ich such’, ist gefunden,
Wie’s immer mag sein.

Nach Arbeit ich frug,
Nun hab’ ich genug,
Für die Hände, für’s Herze
Vollauf genug!

5: Am Feierabend

Hätt’ ich tausend
Arme zu rühren!
Könnt’ ich brausend
Die Räder führen!
Könnt’ ich wehen
Durch alle Haine!
Könnt’ ich drehen
Alle Steine!
Daß die schöne Müllerin
Merkte meinen treuen Sinn!

Ach, wie ist mein Arm so schwach!
Was ich hebe, was ich trage,
Was ich schneide, was ich schlage,
Jeder Knappe thut es nach.
Und da sitz’ ich in der großen Runde,
Zu der stillen kühlen Feierstunde,
Und der Meister spricht zu Allen:
Euer Werk hat mir gefallen;
Und das liebe Mädchen sagt
Allen eine gute Nacht.

6: Der Neugierige

Ich frage keine Blume,
Ich frage keinen Stern,
Sie können mir nicht sagen,
Was ich erführ’ so gern.

Ich bin ja auch kein Gärtner,
Die Sterne stehn zu hoch;
Mein Bächlein will ich fragen,
Ob mich mein Herz belog.

O Bächlein meiner Liebe,
Wie bist du heut’ so stumm!
Will ja nur Eines wissen,
Ein Wörtchen um und um.

Ja, heißt das eine Wörtchen,
Das andre heißet Nein,
Die beiden Wörtchen schließen
Die ganze Welt mir ein.

O Bächlein meiner Liebe,
Was bist du wunderlich!
Will’s ja nicht weiter sagen,
Sag’, Bächlein, liebt sie mich?

Das Mühlenleben

Seh’ ich sie am Bache sitzen,
Wenn sie Fliegennetze strickt,
Oder Sonntags für die Fenster
Frische Wiesenblumen pflückt;

Seh’ ich sie zum Garten wandeln,
Mit dem Körbchen in der Hand,
Nach den ersten Beeren spähen
An der grünen Dornenwand:

Dann wird’s eng’ in meiner Mühle,
Alle Mauern ziehn sich ein,
Und ich möchte flugs ein Fischer,
Jäger oder Gärtner sein.

Und der Steine lustig Pfeifen,
Und des Wasserrads Gebraus,
Und der Werke emsig Klappern,
‘S jagt mich fast zum Thor hinaus.

Aber wenn in guter Stunde
Plaudernd sie zum Burschen tritt,
Und als kluges Kind des Hauses
Seitwärts nach dem Rechten sieht;

Und verständig lobt den Einen,
Daß der Andre merken mag,
Wie er’s besser treiben solle,
Geht er ihrem Danke nach –

Keiner fühlt sich recht getroffen,
Und doch schießt sie nimmer fehl,
Jeder muß von Schonung sagen,
Und doch hat sie keinen Hehl.

Keiner wünscht, sie möchte gehen,
Steht sie auch als Herrin da,
Und fast wie das Auge Gottes
Ist ihr Bild uns immer nah. –

Ei, da mag das Mühlenleben
Wohl des Liedes würdig sein,
Und die Räder, Stein’ und Stampfen
Stimmen als Begleitung ein.

Alles geht in schönem Tanze
Auf und ab, und ein und aus:
Gott gesegne mir das Handwerk
Und des guten Meisters Haus!

7: Ungeduld

Ich schnitt’ es gern in alle Rinden ein,
Ich grüb’ es gern in jeden Kieselstein,
Ich möcht’ es sä’n auf jedes frische Beet
Mit Kressensamen, der es schnell verräth,
Auf jeden weißen Zettel möcht’ ich’s schreiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben.

Ich möcht’ mir ziehen einen jungen Staar,
Bis daß er spräch’ die Worte rein und klar,
Bis er sie spräch’ mit meines Mundes Klang,
Mit meines Herzens vollem, heißem Drang;
Dann säng’ er hell durch ihre Fensterscheiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben.

Den Morgenwinden möcht’ ich hauchen ein,
Ich möcht’ es säuseln durch den regen Hain;
O, leuchtet’ es aus jedem Blumenstern!
Trüg’ es der Duft zu ihr von nah und fern!
Ihr Wogen, könnt ihr nichts als Räder treiben?
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben.

Ich meint’, es müßt’ in meinen Augen stehn,
Auf meinen Wangen müßt’ man’s brennen sehn,
Zu lesen wär’s auf meinem stummen Mund,
Ein jeder Athemzug gäb’s laut ihr kund;
Und sie merkt nichts von all’ dem bangen Treiben:
Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben!

8: Morgengruß

Guten Morgen, schöne Müllerin!
Wo steckst du gleich das Köpfchen hin,
Als wär’ dir was geschehen?
Verdrießt dich denn mein Gruß so schwer?
Verstört dich denn mein Blick so sehr?
So muß ich wieder gehen.

O laß mich nur von ferne stehn,
Nach deinem lieben Fenster sehn,
Von ferne, ganz von ferne!
Du blondes Köpfchen, komm hervor!
Hervor aus eurem runden Thor,
Ihr blauen Morgensterne!

Ihr schlummertrunknen Äugelein,
Ihr thaubetrübten Blümelein,
Was scheuet ihr die Sonne?
Hat es die Nacht so gut gemeint,
Daß ihr euch schließt und bückt und weint
Nach ihrer stillen Wonne?

Nun schüttelt ab der Träume Flor,
Und hebt euch frisch und frei empor
In Gottes hellen Morgen!
Die Lerche wirbelt in der Luft,
Und aus dem tiefen Herzen ruft
Die Liebe Leid und Sorgen.

9: Des Müllers Blumen

Am Bach viel kleine Blumen stehn,
Aus hellen blauen Augen sehn;
Der Bach der ist des Müllers Freund,
Und hellblau Liebchens Auge scheint,
Drum sind es meine Blumen.

Dicht unter ihrem Fensterlein
Da pflanz’ ich meine Blumen ein,
Da ruft ihr zu, wenn Alles schweigt,
Wenn sich ihr Haupt zum Schlummer neigt,
Ihr wißt ja, was ich meine.

Und wenn sie thät die Äuglein zu,
Und schläft in süßer, süßer Ruh’,
Dann lispelt als ein Traumgesicht
Ihr zu: Vergiß, vergiß mein nicht!
Das ist es, was ich meine.

Und schließt sie früh die Laden auf,
Dann schaut mit Liebesblick hinauf:
Der Thau in euren Äugelein,
Das sollen meine Thränen sein,
Die will auf euch meinen.

10: Thränenregen

Wir saßen so traulich beisammen
Im kühlen Erlendach,
Wir schauten so traulich zusammen
Hinab in den rieselnden Bach.

Der Mond war auch gekommen,
Die Sternlein hinterdrein,
Und schauten so traulich zusammen
In den silbernen Spiegel hinein.

Ich sah nach keinem Monde,
Nach keinem Sternenschein,
Ich schaute nach ihrem Bilde,
Nach ihren Augen allein.

Und sahe sie nicken und blicken
Herauf aus dem seligen Bach,
Die Blümlein am Ufer, die blauen,
Sie nickten und blickten ihr nach.

Und in den Bach versunken
Der ganze Himmel schien,
Und wollte mich mit hinunter
In seine Tiefe ziehn.

Und über den Wolken und Sternen
Da rieselte munter der Bach,
Und rief mit Singen und Klingen:
Geselle, Geselle, mir nach!

Da gingen die Augen mir über,
Da ward es im Spiegel so kraus;
Sie sprach: Es kommt ein Regen,
Ade, ich geh’ nach Haus.

11: Mein!

Bächlein, laß dein Rauschen sein!
Räder, stellt eur Brausen ein!
All’ ihr muntern Waldvögelein,
Groß und klein,
Endet eure Melodein!
Durch den Hain
Aus und ein
Schalle heut’ ein Reim allein:
Die geliebte Müllerin ist mein!
Mein!
Frühling, sind das alle deine Blümelein?
Sonne, hast du keinen hellern Schein?
Ach, so muß ich ganz allein,
Mit dem seligen Worte mein,
Unverstanden in der weiten Schöpfung sein!

12: Pause

Meine Laute hab’ ich gehängt an die Wand,
Hab’ sie umschlungen mit einem grünen Band –
Ich kann nicht mehr singen, mein Herz ist zu voll,
Weiß nicht, wie ich’s in Reime zwingen soll.
Meiner Sehnsucht allerheißesten Schmerz
Durft’ ich aushauchen in Liederscherz,
Und wie ich klagte so süß und fein,
Meint’ ich doch, mein Leiden wär’ nicht klein.
Ei, wie groß ist wohl meines Glückes Last,
Daß kein Klang auf Erden es in sich faßt?

Nun, liebe Laute, ruh’ an dem Nagel hier!
Und weht ein Lüftchen über die Saiten dir,
Und streift eine Biene mit ihren Flügeln dich,
Da wird mir bange und es durchschauert mich.
Warum ließ ich das Band auch hängen so lang’?
Oft fliegt’s um die Saiten mit seufzendem Klang.
Ist es der Nachklang meiner Liebespein?
Soll es das Vorspiel neuer Lieder sein?

13: Mit dem grünen Lautenbande

»Schad’ um das schöne grüne Band,
Daß es verbleicht hier an der Wand,
Ich hab’ das Grün so gern!«
So sprachst du, Liebchen, heut’ zu mir;
Gleich knüpf’ ich’s ab und send’ es dir:
Nun hab’ das Grüne gern!

Ist auch dein ganzer Liebster weiß,
Soll Grün doch haben seinen Preis,
Und ich auch hab’ es gern.
Weil unsre Lieb’ ist immergrün,
Weil grün der Hoffnung Fernen blühn,
Drum haben wir es gern.

Nun schlingst du in die Locken dein
Das grüne Band gefällig ein,
Du hast ja ‘s Grün so gern.
Dann weiß ich, wo die Hoffnung wohnt,
Dann weiß ich, wo die Liebe thront,
Dann hab’ ich ‘s Grün erst gern.

14: Der Jäger

Was sucht denn der Jäger am Mühlbach hier?
Bleib’, trotziger Jäger, in deinem Revier!
Hier giebt es kein Wild zu jagen für dich,
Hier wohnt nur ein Rehlein, ein zahmes, für mich.
Und willst du das zärtliche Rehlein sehn,
So laß deine Büchsen im Walde stehn,
Und laß deine klaffenden Hunde zu Haus,
Und laß auf dem Horne den Saus und Braus,
Und scheere vom Kinne das struppige Haar,
Sonst scheut sich im Garten das Rehlein fürwahr.

Doch besser, du bliebest im Walde dazu,
Und ließest die Mühlen und Müller in Ruh’.
Was taugen die Fischlein im grünen Gezweig?
Was will denn das Eichhorn im bläulichen Teich?
Drum bleibe, du trotziger Jäger, im Hain,
Und laß mich mit meinen drei Rädern allein;
Und willst meinem Schätzchen dich machen beliebt,
So wisse, mein Freund, was ihr Herzchen betrübt:
Die Eber, die kommen zu Nacht aus dem Hain,
Und brechen in ihren Kohlgarten ein,
Und treten und wühlen herum in dem Feld:
Die Eber die schieße, du Jägerheld!

15: Eifersucht und Stolz

Wohin so schnell, so kraus, so wild, mein lieber Bach?
Eilst du voll Zorn dem frechen Bruder Jäger nach?
Kehr’ um, kehr’ um, und schilt erst deine Müllerin
Für ihren leichten, losen, kleinen Flattersinn.
Sahst du sie gestern Abend nicht am Thore stehn,
Mit langem Halse nach der großen Straße sehn?
Wenn von dem Fang der Jäger lustig zieht nach Haus,
Da steckt kein sittsam Kind den Kopf zum Fenster ‘naus.
Geh’, Bächlein, hin und sag’ ihr das, doch sag’ ihr nicht,
Hörst du, kein Wort, von meinem traurigen Gesicht;
Sag’ ihr: Er schnitzt bei mir sich eine Pfeif’ aus Rohr,
Und bläst den Kindern schöne Tänz’ und Lieder vor.

Erster Schmerz, letzter Scherz

Nun sitz’ am Bache nieder
Mit deinem hellen Rohr,
Und blas’ den lieben Kindern
Die schönen Lieder vor.

Die Lust ist ja verrauschet,
Das Leid hat immer Zeit:
Nun singe neue Lieder
Von alter Seligkeit.

Noch blühn die alten Blumen,
Noch rauscht der alte Bach,
Es scheint die liebe Sonne
Noch wie am ersten Tag.

Die Fensterscheiben glänzen
Im klaren Morgenschein,
Und hinter den Fensterscheiben
Da sitzt die Liebste mein.

Ein Jäger, ein grüner Jäger,
Der liegt in ihrem Arm –
Ei, Bach, wie lustig du rauschest!
Ei, Sonne, wie scheinst du so warm!

Ich will einen Strauß dir pflücken,
Herzliebste, von buntem Klee,
Den sollst du mir stellen an’s Fenster,
Damit ich den Jäger nicht seh’.

Ich will mit Rosenblättern
Den Mühlensteg bestreun:
Der Steg hat mich getragen
Zu dir, Herzliebste mein!

Und wenn der stolze Jäger
Ein Blättchen mir zertritt,
Dann stürz’, o Steg, zusammen
Und nimm den Grünen mit!

Und trag’ ihn auf dem Rücken
In’s Meer, mit gutem Wind,
Nach einer fernen Insel,
Wo keine Mädchen sind.

Herzliebste, das Vergessen,
Es kommt dir ja nicht schwer –
Willst du den Müller wieder?
Vergißt dich nimmermehr.

16: Die liebe Farbe

In Grün will ich mich kleiden,
In grüne Thränenweiden,
Mein Schatz hat ‘s Grün so gern.
Will suchen einen Zypressenhain,
Eine Heide voll grünem Rosmarein,
Mein Schatz hat ‘s Grün so gern.

Wohlauf zum fröhlichen Jagen!
Wohlauf durch Heid’ und Hagen!
Mein Schatz hat ‘s Jagen so gern.
Das Wild, das ich jage, das ist der Tod,
Die Heide, die heiß’ ich die Liebesnoth,
Mein Schatz hat ‘s Jagen so gern.

Grabt mir ein Grab im Wasen,
Deckt mich mit grünem Rasen,
Mein Schatz hat ‘s Grün so gern.
Kein Kreuzlein schwarz, kein Blümlein bunt,
Grün, Alles grün so rings und rund!
Mein Schatz hat ‘s Grün so gern.

17: Die böse Farbe

Ich möchte ziehn in die Welt hinaus,
Hinaus in die weite Welt,
Wenn’s nur so grün, so grün nicht wär’
Da draußen in Wald und Feld!

Ich möchte die grünen Blätter all’
Pflücken von jedem Zweig,
Ich möchte die grünen Gräser all’
Weinen ganz todtenbleich.

Ach Grün, du böse Farbe du,
Was siehst mich immer an,
So stolz, so keck, so schadenfroh,
Mich armen weißen Mann?

Ich möchte liegen vor ihrer Thür,
In Sturm und Regen und Schnee,
Und singen ganz leise bei Tag und Nacht
Das eine Wörtchen Ade!

Horch, wenn im Wald ein Jagdhorn ruft,
Da klingt ihr Fensterlein,
Und schaut sie auch nach mir nicht aus,
Darf ich doch schauen hinein.

O binde von der Stirn dir ab
Das grüne, grüne Band,
Ade, Ade! und reiche mir
Zum Abschied deine Hand!

Blümlein Vergißmein

Was treibt mich jeden Morgen
So tief in’s Holz hinein?
Was frommt mir, mich zu bergen
Im unbelauschten Hain?

Es blüht auf allen Fluren
Blümlein Vergiß mein nicht,
Es schaut vom heitern Himmel
Herab in blauem Licht.

Und soll ich’s niedertreten,
Bebt mir der Fuß zurück,
Es fleht aus jedem Kelche
Ein wohlbekannter Blick.

Weißt du, in welchem Garten
Blümlein Vergiß mein steht?
Das Blümlein muß ich suchen,
Wie auch die Straße geht.

‘S ist nicht für Mädchenbusen,
So schön sieht es nicht aus:
Schwarz, schwarz ist seine Farbe,
Es paßt in keinen Strauß.

Hat keine grüne Blätter,
Hat keinen Blüthenduft,
Es windet sich am Boden
In nächtig dumpfer Luft.

Wächst auch an einem Ufer,
Doch unten fließt kein Bach,
Und willst das Blümlein pflücken,
Dich zieht der Abgrund nach.

Das ist der rechte Garten,
Ein schwarzer, schwarzer Flor:
Darauf magst du dich betten –
Schleuß zu das Gartenthor!

18: Trockne Blumen

Ihr Blümlein alle,
Die sie mir gab,
Euch soll man legen
Mit mir in’s Grab.

Wie seht ihr alle
Mich an so weh,
Als ob ihr wüßtet,
Wie mir gescheh’?

Ihr Blümlein alle,
Wie welk, wie blaß?
Ihr Blümlein alle,
Wovon so naß?

Ach, Thränen machen
Nicht maiengrün,
Machen todte Liebe
Nicht wieder blühn.

Und Lenz wird kommen,
Und Winter wird gehn,
Und Blümlein werden
Im Grase stehn,

Und Blümlein liegen
In meinem Grab,
Die Blümlein alle,
Die sie mir gab.

Und wenn sie wandelt
Am Hügel vorbei,
Und denkt im Herzen:
Der meint’ es treu!

Dann Blümlein alle,
Heraus, heraus!
Der Mai ist kommen,
Der Winter ist aus.

19: Der Müller und der Bach

Der Müller:
Wo ein treues Herze
In Liebe vergeht.
Da welken die Lilien
Auf jedem Beet.

Da muß in die Wolken
Der Vollmond gehn,
Damit seine Thränen
Die Menschen nicht sehn.

Da halten die Englein
Die Augen sich zu,
Und schluchzen und singen
Die Seele zu Ruh’.

Der Bach:
Und wenn sich die Liebe
Dem Schmerz entringt,
Ein Sternlein, ein neues,
Am Himmel erblinkt.

Da springen drei Rosen,
Halb roth, halb weiß,
Die welken nicht wieder,
Aus Dornenreis.

Und die Engelein schneiden
Die Flügel sich ab,
Und gehn alle Morgen
Zur Erde hinab.

Der Müller:
Ach, Bächlein, liebes Bächlein,
Du meinst es so gut:
Ach, Bächlein, aber weißt du,
Wie Liebe thut?

Ach, unten, da unten,
Die kühle Ruh’!
Ach, Bächlein, liebes Bächlein,
So singe nur zu.

20: Des Baches Wiegenlied

Gute Ruh’, gute Ruh’!
Thu’ die Augen zu!
Wandrer, du müder, du bist zu Haus.
Die Treu’ ist hier,
Sollst liegen bei mir,
Bis das Meer will trinken die Bächlein aus.

Will betten dich kühl,
Auf weichem Pfühl,
In dem blauen krystallenen Kämmerlein.
Heran, heran,
Was wiegen kann,
Woget und wieget den Knaben mir ein!

Wenn ein Jagdhorn schallt
Aus dem grünen Wald,
Will ich sausen und brausen wohl um dich her.
Blickt nicht herein,
Blaue Blümelein!
Ihr macht meinem Schläfer die Träume so schwer.

Hinweg, hinweg
Von dem Mühlensteg,
Böses Mägdlein, daß ihn dein Schatten nicht weckt!
Wirf mir herein
Dein Tüchlein fein,
Daß ich die Augen ihm halte bedeckt!

Gute Nacht, gute Nacht!
Bis Alles wacht,
Schlaf’ aus deine Freude, schlaf’ aus dein Leid!
Der Vollmond steigt,
Der Nebel weicht,
Und der Himmel da oben, wie ist er so weit!

Der Dichter, als Epilog

Weil gern man schließt mit einer runden Zahl,
Tret’ ich noch einmal in den vollen Saal,
Als letztes, fünf und zwanzigstes Gedicht,
Als Epilog, der gern das Klügste spricht.
Doch pfuschte mir der Bach in’s Handwerk schon
Mit seiner Leichenred’ im nassen Ton.
Aus solchem hohlen Wasserorgelschall
Zieht Jeder selbst sich besser die Moral;
Ich geb’ es auf, und lasse diesen Zwist,
Weil Widerspruch nicht meines Amtes ist.

So hab’ ich denn nichts lieber hier zu thun,
Als euch zum Schluß zu wünschen, wohl zu ruhn.
Wir blasen unsre Sonn’ und Sternlein aus –
Nun findet euch im Dunkel gut nach Haus,
Und wollt ihr träumen einen leichten Traum,
So denkt an Mühlenrad und Wasserschaum,
Wenn ihr die Augen schließt zu langer Nacht,
Bis es den Kopf zum Drehen euch gebracht.
Und wer ein Mädchen führt an seiner Hand,
Der bitte scheidend um ein Liebespfand,
Und giebt sie heute, was sie oft versagt,
So sei des treuen Müllers treu gedacht
Bei jedem Händedruck, bei jedem Kuß,
Bei jedem heißen Herzensüberfluß:
Geb’ ihm die Liebe für sein kurzes Leid
In eurem Busen lange Seligkeit!